Noch ein steiler Weg

    Das Klettern ist als Randsport zum Breitensport herangewachsen und hat in den letzten 25 Jahren ein stetiges Wachstum durchgemacht. Massgeblich dazu beigetragen haben die Kletterhallen. Die Pandemie hat die Branche allerdings arg durchgeschüttelt und fühlt sich von der Politik in Stich gelassen – die Unsicherheit bleibt.

    (Bild: zVg) Die Sportart und die Ansprüche an die Hallen haben sich verändert hin zur lichtdurchfluteten Grossanlage mit vielen bunten Griffen – Klettern soll vor allem Spass machen.

    Künstliche Kletterwände sind in der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Die weitere Verbreitung der Sportart Sportklettern ist ungebrochen und der Trend zum Klettern nach wie vor sehr gross. Dabei werden Indoor-Anlagen bevorzugt, da sie ein von Witterungseinflüssen unabhängiges Sport- und Freizeitvergnügen sowie ein zielorientiertes Training oder Wettkampfteilnahmen ermöglichen. Simon Riediker, Präsident der IG Kletteranlagen, kennt sich in dieser sportlichen Welt des Kletterns bestens aus. Er hat sein Hobby zum Beruf gemacht und betreibt seit sieben Jahren selbst eine Kletteranlage in Winterthur. Besonders fasziniert ihn die Vielseitigkeit an seinem Job, sei dies Organisation, Koordination, praktische Tätigkeiten beim Routenbau oder die Arbeit am Empfang und im Bistro. Was einst fürs Training für draussen in der Felswand gedacht war, hat sich in den letzten Jahren zu einem trendigen Breitensport entwickelt. Dazu Riediker: «Die Kletteranlagen bringen den Sport zu den Leuten in die Städte. Das Klettern ist nicht mehr nur für Bergler und Freaks, sondern für alle – jeder kann klettern!» Die modernen Infrastrukturen bieten Erlebnisse für Schulklassen und Ausflügler, daneben gibt es professionelle und standardisierte Ausbildungen, wie man die nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten für das gegenseitige Sichern erwirbt. Das Indoor-Klettern funktioniert ebenso als Wettkampfsport bestens, da es unter kontrollierten Rahmenbedingungen durchgeführt werden kann. «Das Sportklettern ist olympisch und aufgeteilt in die Disziplinen Lead, Boulder und Speed», so Riediker. Diese «Professionalisierung» des Sports widerspiegelt sich in der Infrastruktur: «Kletterhallen sind Freizeitanlagen geworden. Man trifft sich zum Training, tauscht sich aus und konsumiert. Zudem werden Kurse und Events angeboten.»

    Besonders das Bouldern ist in den letzten Jahren sehr beliebt geworden. Bouldern – auf Englisch heisst «boulder» Felsblock – ist eine Form des Kletterns, bei der ohne Gurt und Seil in Absprunghöhe geklettert wird. Genau darin liegt denn auch der besondere Reiz dieser Art des Kletterns: das Klettern an der körperlichen Leistungsgrenze und das Verschieben derselben nach oben. Viele neue Mitglieder der IG-Kletteranlagen sind Betreiber von Boulderanlagen. Gemäss Riediker gibt es keine «typischen» Kletterer. «Die einen bevorzugen das Bouldern, die anderen das Klettern am Seil. Die einen mögen den sportlichen Challenge, für andere steht mehr das gesellschaftlich im Vordergrund. Jeder Kletterer bestimmt selbst, was ihm wichtig ist und wie ambitioniert er das Hobby betreiben will.» Die meisten kommen wöchentlich in die Halle, die Profis trainieren täglich.

    In die nächste Generation investieren
    Die meisten Leute betreiben das Indoor-Klettern als Hobby. Dazu Riediker: «Klettern fordert einen sehr ganzheitlich – sowohl auf der mentalen als auch auf der psychischen Ebene. Eine Rolle spielt auch der konditionelle Faktor.» Die modernen Infrastrukturen bieten gute Möglichkeiten für Neueinsteiger: So gibt es zum Beispiel Selbstsicherungsautomaten, mit denen man mit einer kurzen Einführung schnell Höhenluft schnuppern kann. «Wir geben damit einem breiten Publikum einen einfachen Zugang zum Klettern. Bewegung im dreidimensionalen Raum sind zurzeit gefragt.» Dies bedingt aber auch eine moderne, stets aktualisierte Infrastruktur. So entwickeln sich die Anforderungen an eine zeitgerechte Freizeitanlage ständig. Freundliche Mitarbeitende, Sauberkeit, Hygiene sind für uns als Dienstleistungsbetrieb wichtige Basisfaktoren», so Riediker und er doppelt nach: «Viele Anlagen bieten auch noch Zusatzdienstleistungen wie ein Bistro, ein Klettershop, Events, Kurse etc. an. Die Gesellschaft ist nun auch bereit, etwas dafür zu bezahlen.» Gemäss dem Unternehmer wird es künftig noch mehr Richtung Breitensport gehen. Alle Angebote und Bewegungsformen, welche verhältnismässig kleine «Einstiegshürden» für neue Kletterer bieten, spielen dabei eine zentrale Rolle. «Mit Angeboten für die Kids von heute, investieren wir auch in die nächste Generation. In unserer Anlage haben wir beispielsweise einen Spielplatz mit einer Boulderwand, wo bereits 3-jährige Kids rumkrabbeln. Unseren ältesten Kunden sind schon deutlich über 80-Jährig.»

    Nach IG-Standards ausbilden
    Einen grossen Stellenwert hat die Aus- und Weiterbildung in der Branche. Unmittelbar damit verbunden ist die Sicherheit der Kunden, das A und O im Klettersport. Die IG Kletteranlagen hat deshalb die Grundausbildung zum Sportklettern in Kletteranlagen schweizweit standardisiert. «Die meisten Organisationen bilden nun nach diesen Standards aus. Wir sind auch sehr froh, dass unsere Partnerorganisationen wie der Schweizer Alpen-Club oder der Bergführerverband hier mitziehen», so Riedker. Denn es ist offensichtlich: Ein Fehler beim Klettern oder Sichern kann fatale Folgen haben. Während früher die wichtigsten Regeln und Kniffe à la «Learning by doing» vom Kollegen gezeigt wurden, zieht dieses Lernkonzept in der modernen Welt dieses Breitensportes nicht mehr. Nun sind professionell geschulte Kursleiter und Ausbilder gefragt, die sich mit dem Gefahrenmanagement an den Kletterwänden und Felswänden bestens auskennen. Kletteranlagen, die nach IG-Standards ausbilden, werden von ihrem Ausbildungsverantwortlichen über mehrere Monate nach einheitlichen Vorgaben ausgebildet. Sie leisten Praktika und werden von zwei externen Prüfungsexperten auf ihr Know-how getestet. «Leute, die neu in eine Kletterhalle kommen, müssen genau informiert werden, was sie dürfen, und was nicht.»
    Daneben wird aber auch die Eigenverantwortung grossgeschrieben: «Wenn ich die nötige Ausbildung mitbringe, geschieht die Nutzung der Kletteranlage generell auf eigene Verantwortung. Dank guter Grundausbildung passieren relativ wenig Unfälle», erklärt der junge Kletterexperte.

    Obwohl Sport und Freizeit wachsende Bedürfnisse bleiben, sind die Herausforderungen rund um Corona gross. Die Pandemie traf die Kletteranlagen mit voller Härte. Die Einschränkung des Sport- und Freizeitangebots bedeutete eine Schliessung der Anlagen über mehrere Monate in der Hauptsaison. «Natürlich gibt es Kurzarbeitsentschädigung und da und dort etwas Härtefallunterstützung. Damit können die Fixkosten unserer infrastruktur-intensiven Anlagen aber bei weitem nicht gedeckt werden», stellt er fest. Die Kletterhallen fühlen sich in der schwierigen Lage von der Politik im Stich gelassen: Zum wohl der Bevölkerung mussten die Anlagen trotz gut funktionierenden Schutzkonzepten schliessen und für die daraus resultierenden weitreichenden Konsequenzen will nun niemand Verantwortung übernehmen: «Die finanziellen Auswirkungen der Pandemie auf unsere Betriebe werden von der Politik nicht genügend ernstgenommen. Reserven werden buchstäblich vernichtet – wer nichts mehr hat, darf betteln gehen.» Für die Betriebe geht es nach wie vor darum, die finanzielle Situation zu stabilisieren. «Wir sind nach dem Lockdown mit aufgebrauchten Reserven direkt in die Nebensaison gestartet.» Eine zusätzliche Herausforderung für die Branche sind die bürokratischen Hürden, um an Hilfsgelder zu kommen.

    «Für die Zukunft brauchen wir dringend eine gesetzliche Grundlage für eine angemessene Entschädigung im Pandemiefall. Fehler und Versäumnisse sollten sich nicht allzu oft wiederholen», so die Forderungen der Branche an die Politik.

    Corinne Remund

    www.kletteranlagen.ch


    DAS MACHT DIE IGKA

    Mitglieder untereinander vernetzen

    Die Gründung der Interessengemeinschaft der Schweizer Kletteranalgen IGKA am 13. Oktober 2007 ist auf die Entstehung der ersten Kletteranlagen in den 90er-Jahren zurückzuführen. Gegründet wurde die IGKA von einigen Kletteranlagen-Betreiber sowie dem Schweizer Alpen Club SCA. Ziel der IGKA ist es, einen sicheren und qualitativ hochstehenden Indoor Klettersport in der Schweiz zu gewährleisten. Ausbildung und Sicherheit bilden nach wie vor Kernthema. So hat zum Beispiel die IGKA die Grundausbildung zum Sportklettern standardisiert und dazu eine eigene Kursleiter-ausbildung ins Leben gerufen. Informationen rund um Standards bezüglich Infrastruktur sowie die Kommunikation gehören ebenso zu den Dienstleistungen der IGKA Ebenso fördert die IG Kletteranlagen die Vernetzung der Mitglieder untereinander sowie auch gegen aussen mit Behörden, anderen Verein, Organisationen und Institutionen. Die IGKA ist Mitglied bei der Fachgruppe Sicherheit im Bergsport (www.alpinesicherheit.ch). Dazu soll der Austausch unter den verschiedenen Kletteranlagen gefördert und gepflegt werden, so dass nebst dem Zusammentragen von Know-how, gemeinsam neue Visionen für den Klettersport entwickelt werden können.

    Die IG zählt insgesamt 78 Mitglieder. Diese setzen sich aus Betreiber von Kletteranlagen sowie institutionelle Mitglieder wie der Schweizer Alpen-Club SCA, der Schweizer Bergführerverband, Bergschulen oder das BFU zusammen. Aktuell sind schweizweit 68 Kletteranlagen Mitglied – dies sind sowohl kleineren Anlagen, die auf Vereinsbasis geführt werden, als auch Betreiber mit mehreren grösseren, kommerziell geführten Kletteranlagen. Etwa 70 Prozent sind KMU. Die Branche beschäftigt rund 1000 Leute, die meisten davon Teilzeit und in kleinen Arbeitspensen. Ehrenamtliche Tätigkeit spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.

    CR

    Vorheriger ArtikelWeg vom Preis- hin zum Qualitätswettbewerb
    Nächster ArtikelWarum auch Sie im Alter ab ins Wasser sollten