Die Schweizer Verteidigung in der Krise – mangelnde Mittel, maximale Risiken


    Kolumne


    (Bild: © Ehrbar Photography) Dr. Adrian Schoop ist Unternehmer und FDP-Grossrat.

    Die freiheitliche westliche Ordnung steht an verschiedenen Fronten unter Druck. Dieses Jahr musste dies Israel besonders brutal spüren. Die globalen Sicherheitsrisiken, die wir heute beobachten, sind eine deutliche Erinnerung daran, dass Frieden und Sicherheit keine Selbstverständlichkeiten sind. Eine verteidigungsfähige Armee ist der Garant für ein freies und souveränes Land. Doch die Schweiz weist hier massiven Aufholbedarf auf.

    Trotz der angespannten internationalen Sicherheitslage hat das Parlament vor Weihnachten eine äusserst bedenkliche Entscheidung getroffen. Dabei ist Bundesbern vom Beschluss abgekehrt, das Armeebudget auf 1% des BIP bis 2030 moderat zu erhöhen. Zum Vergleich: Die Nato verlangt von ihren Mitgliedern das Doppelte – 2% des BIP! Dieser Entscheid wirft ernsthafte Fragen über unsere Bereitschaft und Fähigkeit auf, die nationale Sicherheit in einer immer komplexer werdenden Welt zu sichern.

    Denn eine gut ausgerüstete Armee ist der erste Schritt zur Friedenssicherung und einer glaubwürdigen Neutralitätspolitik. Wo wären die Ukraine und Israel ohne eine verteidigungsfähige Armee? Es ist schwer nachvollziehbar, dass die Schweiz, eines der wohlhabendsten Länder Europas, angeblich nicht in der Lage ist, ausreichende Mittel für ihre Verteidigung bereitzustellen. Dabei hat man in den letzten Jahren bei der Armee so viel gespart, wie in kaum einem anderen Bereich. Die Schweiz hat ihre Armeeausgaben zwischen 1990 und 2014 von 1,6 auf 0,6 Prozent des BIP gesenkt. Diese Verteidigungsausgaben sind auch im Vergleich zu unseren westlichen Nachbarn äusserst mager. Wie die NZZ einleuchtend aufzeigte, hat Russland seit 1992 seine Ausgaben fürs Militär real um zwei Drittel erhöht, die USA um knapp einen Drittel. Norwegen gibt seit 1990 fürs Militär vier Fünftel mehr aus. Die Schweiz hingegen hat ihre Ausgaben um einen rekordverdächtigen Fünftel reduziert!

    Dabei wäre eine Erhöhung des Armeebudgets zwingend notwendig. Die Schweizer Armee befindet sich in einem kritischen Zustand, mit nur zwei funktionsfähigen Panzerbrigaden und einem Munitionsvorrat, der kaum für Übungszwecke ausreicht. In einer Zeit, in der andere Länder ihre Verteidigungsanstrengungen verstärken, schlägt die Schweiz zurzeit einen anderen Weg ein und setzt auf die Verteidigungskraft der umliegenden Staaten.

    Finnland hingegen, das wesentlich weniger Einwohner und ein tieferes BIP zählt, hat in den letzten Jahren massiv in die eigene Verteidigungsfähigkeit investiert. So hat der skandinavische Staat die Armeeausgaben deutlich erhöht, ohne grosse Diskussionen 64 F-35-Kampfjets gekauft und die Zusammenarbeit mit den strategischen Partnern verstärkt. Die pragmatische Haltung der Finnen steht im krassen Widerspruch zur Schweizer Verteidigungspolitik.

    Diejenigen, die immer behaupten, es wäre kein Geld für diese Aufgabe vorhanden, müssen die finanzpolitischen Prioritäten wieder neu ordnen. So hat der Bund seit 1990 die Staatsausgaben verdoppelt. Gemäss dem Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) hat der Bund im letzten Jahr rund 48,5 Milliarden Franken für Subventionen ausgegeben, von denen die Ökonomen 6,7 Milliarden als volkswirtschaftlich schädlich einschätzen. Auch nach dem IWP stieg die Beschäftigung beim Staat innert acht Jahren um 11 Prozent an. Fast jeder Dritte lebt bald von der öffentlichen Hand. Die immensen Verwaltungsstrukturen beschäftigen nicht nur sich selbst, sondern halten auch die Privatwirtschaft mit unnötigen Regulierungen und Vorschriften auf Trab, wie erst kürzlich auch Yvonne Gilli, die Präsidentin des Berufsverbands der Schweizer Ärzte FMH, beklagte. Unter diesen Umständen kann kaum jemand glaubwürdig behaupten, dass eine moderate Erhöhung der Sicherheitsausgaben nicht finanzierbar wäre.

    Die Schweiz muss ihre Verantwortung ernst nehmen und in ihre eigene Verteidigungsfähigkeit investieren. Sicherheit ist erste Staatsaufgabe. Finnland zeigt, dass entschlossenes Handeln und strategische Weitsicht in der Sicherheitspolitik möglich sind. Wir müssen diesem Beispiel folgen und sicherstellen, dass unsere Wehrhaftigkeit, Unabhängigkeit und Neutralität auch in Zukunft gewährleistet sind.

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